GUTES WEDDING, SCHLECHTES WEDDING: Die erste Theater-Sitcom der Welt feiert neue Premiere

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Kalle Witzkowski ist Berliner. Zum Schnauzbart trägt er „Vokuhila“, und zu sagen gibt es immer genug. Er lispelt und pöbelt sich durch den Wedding, nein, durch ganz Berlin und bis ins Umland, dass es eine Freude ist.

Kalle Witzkowski ist Berliner. Zum Schnauzbart trägt er „Vokuhila“ (vorne kurz, hinten lang-Frisur), und zu sagen gibt es immer genug. Er lispelt und pöbelt sich durch den Wedding, nein, durch ganz Berlin und bis ins Umland, dass es eine Freude ist. Denn er weiß eh nie, wer oder was hinter der nächsten Dönerbude kommt: die Mafia, die Superhelden oder die Mütter vom Bio-Markt.

Postbote Kalle ist die Kultfigur der Theaterserie „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“. Als die Schauspieler Constanze Behrends und Oliver Tautorat ihre Figuren vor mehr als zehn Jahren erschufen, wollten sie vor allem unterhalten. Ihre „Theater-Sitcom“ war von Beginn an schreiend komisch. Angelehnt an Soaps, Sitcoms und Comic-Adaptionen, hat „GWSW“ eine Handlung, die Folge für Folge endlos weiter gespielt werden kann, mit krassen Figuren, Konflikten und Klamauk.

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„Wir machen populäres Volkstheater“, sagt Constanze Behrends, „zu uns kommen unterschiedliche Leute, und viele von ihnen gehen sonst eher nicht ins Theater.“ Spaß machen sollte dieses Theater, dem Publikum und den Machern, frei von kopflastiger Problembehandlung. „Klassische Rollen wie Gretchen an einer Provinzbühne zu spielen, das wollten wir nicht“, meint Behrends, die sich an der Schauspielschule Charlottenburg ausbilden ließ, „also machten wir was Eigenes.“

Das Prime Time Theater, 2003 von Behrends und Tautorat gegründet, spielt heute mit festem Ensemble im Theaterraum vor 200 Zuschauern und großer Video-Leinwand. Die Shows sind gut besucht, und der Rhythmus ist straff: Fünf Tage wird eine Folge geprobt, fünf Wochen wird sie gespielt, an fünf Tagen pro Woche. Jeder Schauspieler übernimmt darin drei bis fünf Rollen.

„Ich komme mir dann vor wie ein Rechner, in den man gleichzeitig fünf DVDs steckt“, sagt Philipp Lang. Dennoch ist es für den Hamburger der Traumjob. Weil er publikumsnah spielen kann, mit dem nötigen „Entertainmentfaktor“. Seine Kollegin Cynthia Buchheim schätzt die Arbeit, in der es keine Haupt- und Nebenrollen gibt, nur Rollen. „Das Team muss funktionieren.“

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Alexandra Marinescu beschreibt, wie sie die Rolle einer Cheerleaderin erarbeitet: Mit Unmengen TV-Serien, bis sie selbst die typischen Girl-Geräusche drauf hat. Diese Feinarbeit wird ihr vom GWSW-Publikum gedankt: Für viele ist es eine Gaudi, den Slang der Figuren in Echtzeit nachzuahmen, oder direkt in den Dialog einzugreifen. „Bei einer Szene war es mal so, dass aus dem Publikum jemand sagte, Mensch, der will dir doch anmachen“, erinnert sich Marinescu.

Die Geschichten und das Figurenpersonal haben sich mit den Jahren verändert. Neben Kalle, Mahmut und Frau Schinkel gibt es nun die „Casting-Opfer“ Mushido und Peniselea, Punkerin Ratte oder Tömle und Teresa aus Prenzlauer Berg, die esoterisch interessierten Mittelstandsbürger. Sie alle kriegen gehörig ihr Fett weg. Gastschauspieler Christoph Drobig, der schon für denkwürdige David-Hasselhoff-Momente sorgte, darf diesmal einen Ossi-Lehrer im Cordanzug spielen.

„Unsere Figuren sind schon Helden, aber sie haben es im Alltag nicht so leicht“, sagt Constanze Behrends, die die Stücke schreibt und Regie führt, „wir beschränken uns auch nicht mehr nur auf den Wedding.“ Komplette Arztfolgen gibt es im GWSW-Universum, Gerichtsfolgen, auch Superheldenfolgen. In der neuen Folge heißt es vielversprechend „Feng Shui für Anfänger“. Schlagerproduzenten kommen darin vor, Bildungsbürger mit Beziehungsproblemen und spirituell Suchende. Allzu sinnhaft sollte es aber nicht werden, immerhin ist Postbote Kalle dabei.

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© RCR Jana Sittnick

GWSW: „Feng Shui für Anfänger“, bis 01. November, Prime Time Theater, Müllerstraße 163, Wedding, Kartentelefon: 030-49907958, www. primetimetheater.de

Fotos © Janina Heppner

Titelbild

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