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Große Themenvielfalt beim 36. Hessischen Film- und Kinopreis, ein Ehrenpreis für ein Multitalent und eine Moderatorin in Bestform

Für die Vergabe der hessischen Oscars 2025 wurde wieder der rote Teppich vor der Alten Oper Frankfurt ausgerollt und zahlreiche Besucher aus Kultur und Politik versammelten sich in dem historischen Prachtbau inmitten der Hochhäuser-Skyline, um die Preisträger zu ehren.

Katrin Bauerfeind führt fachkundig, schlagfertig und begeisternd durch die glanzvolle Verleihung und liefert am Saxophon mit „Careless Whisper“ auch gleich noch die Showeinlage mit. Ihr engagierter Einsatz erstreckt sich sogar noch auf den kommenden hessischen Filmpreis 2026, der aus Kostenersparnis ausgesetzt werden soll bzw. in sehr kleinem Rahmen über die Bühne gebracht werden soll, hier lässt sich Kulturstaatssekretär und Gastgeber des Abends Christoph Degen nicht erweichen, diesen Plan aufzugeben, trotz reichlich konstruktiver Ideen der Moderatorin zum Erhalt der Veranstaltung für 2026. (2027 soll die Verleihung dann wie gewohnt fortgesetzt werden.)

Den Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten überreicht der Staatssekretär an das Multitalent Michael Kessler, weil er uns als Komiker, Schauspieler, Theaterregisseur, Sprecher, Autor und Moderator auf so vielen Ebenen bereichere und den Menschen mit seinem feinem Gespür immer auf Augenhöhe begegne, so in der Begründung.

Michael Kessler © Schwarz/Sellers

Die Idee der Queer Media Society für einen QMS Respect Award, der queren Filmschaffenden mehr Sichtbarkeit und Anteil verschaffen soll, stieß bei Kunst- und Kulturminister Simon Gremmels auf Zustimmung und so geht dieser erstmals vergebene Preis an den Berliner Regisseur und Filmproduzent Axel Ranisch. Der sympathische Filmschaffende, der auch schon Operninszenierungen verantwortet hat, erzählt in seiner amüsanten und berührenden Dankesrede von seiner Zeit mit Rosa von Praunheim an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg. Ranisch berichtet, Praunheim habe ihn außer Regie auch gelehrt, dazu zu stehen, wie er sei und ein Vorbild zu sein für alle, die ein solches Vorbild brauchen können, was mit lautstarkem Applaus gewürdigt wird. Der Tipp, man müsse sich nicht in jeder Lebenswelt wiederfinden, aber alle Lebenswelten wie die eigenen anerkennen, stößt auf ebenso viel Zustimmung des Branchen-Publikums.

Axel Ranisch © Schwarz/Sellers

Der talentierte Schauspieler Jannis Niewöhner hält die Laudatio für den Preis der Frankfurter Buchmesse für die beste Adaption. Gewinner ist der Film „22 Bahnen“ von Mia Marien Meyer (Drehbuch: Elena Hell, basierend auf dem Bestseller von Caroline Wahl), in welchem die junge Protagonistin Tilda sich mit suchtkranker Mutter und Verantwortung für eine kleinere Schwester um eine Karriere bemüht und nicht aufgibt.

Mala Emde (Titelfigur in „Meine Tochter Anne Frank“), Preisträgerin des Newcomerin Awards bedankt sich live zugeschaltet aus New York und zeigt sich sehr gerührt und erfreut. Sie ruft trotz schwerer geopolitischer Zeiten dazu auf, immer in die Gesichter unserer Mitmenschen zu blicken und den Frieden darin zu finden. Die Liebe dazu habe sie zum Beruf der Schauspielerin gebracht.

Der Preis für das beste Drehbuch geht an „Das Erbe“ von Aliaksei Paluyan, Esther Bernstorff und Behrooz Karamizade und spielt im belarussischen Minsk im Sommer 2020. Es geht um eine Familie, die sich mit ihrem komplexen Leben in einer Diktatur auseinandersetzen muss.

Der Preis des Hessischen Rundfunks für die beste schauspielerische Leistung geht an das Trio: Lisa Wagner, Nils Strunk und Justus von Dohnànyi für ihre Leistung in der ZDF-Serie „Die Affaire Cum-Ex“. Der Film handele davon, wie Menschen mit undurchsichtigen Geschäften die Öffentlichkeit ihres Geldes berauben, aber auch von Menschen, die dies bekämpfen, so Lisa Wagner.

Außerdem verlieh der HR einen Ensemblepreis für das junge Ensemble der ARD-Miniserie „Schattenseite“ (Regie Özgür Yildirim und Alison Kuhn), die sich mit dem erschreckendem Cypermobbing eines Schul-Abiturjahrgangs beschäftigt. Samira Breuer, Tanya Nguyen, Florian Geißelmann, Jonas Ems, Ludger Bökelmann und Marven Gabriel Suarez-Brinkert berichten in ihrer Dankesrede über die intensive Arbeit am Set und wie gut sie sich verstanden haben.

Ensemble der ARD-Miniserie „Schattenseite“ © Schwarz/Sellers

Der hessische Kinopreis ging an 19 Kinobetreiber und ein zusätzlicher Sonderpreis an die BALI Kinos, dessen Betreiber uns daran erinnert, dass die beste Unterstützung, die wir alle für die Kinos leisten können, sehr einfach ist: „ins Kino gehen“.

Der beste Kurzfilm geht an „Saigon Kiss“ von Hong Anh Nguyen, der beste Hochschulabschlussfilm an Áron Farkas für „Magic Gulyás“ (Kunsthochschule Kassel) und ein Sonderpreis für den Thriller „Hysterie“ an Mehmet Akif Büyükatalay.

Den Preis für den besten Dokumentarfilm erhält Marcin Wierzchowski für „Das Deutsche Volk“, das den rassistischen Anschlag von Hanau behandelt.

Marcin Wierzchowski für „Das Deutsche Volk“ © Schwarz/Sellers

Der Regisseur begleitete die betroffenen Menschen seit dem ersten Tag nach dem Anschlag, ihre Trauer, Wut und das Unverständnis der Angehörigen der Ermordeten darüber, dass die Aufklärungsarbeiten eingestellt wurden, ohne Verantwortliche für verschlossene Nottüren und unbesetzte Notrufe zu finden. Wierzchowski bedankt sich für die Offenheit der Familien, von denen einige zum Filmpreisabend mitgekommen sind und denen durch Stehende Ovationen Solidarität und Mitgefühl signalisiert wird. 

Schauspielerin Melika Foroutan (Frankfurter Tatort Kommissarin) hält die Laudatio und mahnt, dass Menschen mit rassistischer Gesinnung heute im Bundestag sitzen. Der Regisseur gibt zu bedenken, dass das Handeln einer Person, die „das Stadtbild“ stört, das Ausmaß dieser Katastrophe annehmen kann.

Die wunderbare Maria Schrader hält die Laudatio für den besten Spielfilm „September 5“ von Tim Fehlbaum, der die Geiselnahme der israelischen Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 in München erzählt, kammerspielartig aus der Perspektive einer Sportjournalistin. Dabei wird auch das Phänomen thematisiert, als Zuschauer in einem Raum der Katastrophe beizuwohnen, ohne etwas machen zu können. 

Nach gut drei Stunden gelungener Zeremonie, die eine unglaubliche thematische Vielfalt im hessischen Film gezeigt hat, können sich die geladenen Gäste noch verköstigen, vernetzen und bis tief in die Nacht hinein tanzen.

© Julia Stolze

Fotos © Lara Stolze

Titelbild © Schwarz/Sellers

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