Der Letzte an der Bar – Das ist Henning Wehland
„Ich bin bereit. Das ist die Botschaft. Ich bin frei!“, heißt es auf Henning Wehlands Solo-Album „Der Letzte an der Bar“, das 27. Januar 2017 erschienen ist.
Henning Wehland ist seit mehr als 20 Jahren fester Bestandteil der deutschen Musikszene. 1990 gründete er in Münster (noch während der Schulzeit) die Band H-BLOCKX, deren Frontmann und Songwriter er bis heute ist (allerdings erschien 2012 das bis dato letzte Album, und es sieht nicht danach aus, dass es ein neues geben könnte).
Ende der 90er Jahre stieg er parallel dazu bei Söhne Mannheims ein, wo er ebenfalls zu den maßgeblichen Sängern und Autoren gehört. Und als wäre das noch nicht genug, gründete er eine Künstleragentur (managt u.a. Pohlmann und The BossHoss), war Moderator bei VIVA2 und wurde 2013 Jury-Mitglied in der SAT.1-Show „The Voice Kids“.
2015 verordnete er sich selbst aber eine Auszeit, um alles zu überdenken und auch neue Ideen zu sammeln. Henning Wehland hat die Zeit genutzt, Bilanz zu ziehen: „Ich habe nie verstanden, wie man erwachsen wird“, erklärt Wehland die Hintergründe zu seiner vertonten Autobiographie. „Stattdessen habe ich alles gemacht, alles ausprobiert, um mich von der Wirklichkeit abzulenken und vor lauter unbegrenzten Möglichkeiten verlernt, mein eigenes Bauchgefühl wahrzunehmen.“
„Ich bin bereit. Das ist die Botschaft für den Chef der Musikpolizei. Ich reiß alle Fenster auf, damit du hörst, was ich schrei: Ich bin Rocker, Rapper, Hippie. Ich bin frei!“, heißt es in „Frei“, einem der 15 Songs auf seinem taufrischen ersten Solo-Album. Auf „Der Letzte an der Bar“ beantwortet er sich all die wichtigen Sinnfragen selbst. Seit 27. Januar 2017 ist das Album endlich raus – als CD, digital und auf Vinyl.
Gleich im ersten Song „1001 Umdrehung“ zieht er ein Fazit seines Lebens. In tollen Wortgebilden und Versen zieht er Bilanz: „Ich steh am Anfang meiner Endlichkeit… das ist die Geschichte meiner Entstehung… ich bin Geschichtensammler und Gedankenerfinder… ich bin Erlebnisbuchbinder…“
Henning Wehland greift aber auch aktuelle und gesellschaftlich relevante Themen auf, etwa mit „Der alte Mann und das Leergut.“ Die Titelzeile sagt eigentlich schon alles aus. Mehr Worte sind nicht nötig, auch so weiß jeder, worum es geht: die Altersarmut. Im folgenden „Am Anfang vom Ende der Welt“ schreit Wehland seine ganze Wut raus darüber, dass die Dummheit immer mehr um sich greift („…wenn die Dummheit Sätze klaut wie `Wir sind das Volk`…“). Der vielleicht stärkste ist nicht nur wegen des Titelnamens „Panzer“: bitterböse, selbstironisch, hintersinnig spielt er mit Worten („Ich bin ein Panzer, ich kämpfe mit Gefühlen“). Dass Hennig Wehland auch ganz anders kann, zeigt er im folgenden Liebeslied: „Mein Herz sagt, Dein Herzschlag ist der beste Beat der Welt.“ Schöner kann man das nicht ausdrücken, es sei denn im Duett mit Sarah Connor, wenn er singt „…wenn der Himmel über Dir zerreißt, steh’n wir zusammen wie Bonnie & Clyde.“ Vollgepackt mit jeder Menge Streichern, akustischer Gitarre, schmeichelnder E-Gitarre und gedämpftem Schlagzeug – ein Schlager, wie er im Buche steht. Genauso ungewöhnlich wie „Tanz um Dein Leben“ – eine Humppa-Polka, für die er sich LaBrassBanda als Unterstützung ins Studio geholt hat.
Ansonsten pendelt das Album zwischen Hip-Hop, Rap, Blues, Rock. Henning Wehland vermischt all dieses gekonnt zu seinem eigenen Stilmix, wobei man sich manches Mal an EVERLAST oder auch Lindenberg („Reeperbahn 2011“) erinnert fühlt. Gerade EVERLAST dürfte wohl mit seinem Album „White Trash Beautiful“ als einer der Wegbereiter für diesen Stilmix gelten.
„Ich bin der Einzige, dem ich Rechenschaft schuldig bin. Ich möchte mir selbst irgendwann nicht vorwerfen müssen, dass ich etwas hätte besser machen können. Es geht auf der Platte um den Mut, in den Spiegel zu schauen. Ehrlich gegenüber sich selbst zu sein und Grenzen zu überschreiten. Zu erkennen, wer man ist und sich nicht von anderen vorschreiben zu lassen, wer man zu sein oder was man zu tun hat. Das ist die große Kunst: Dinge von mir preiszugeben, die sehr schmerzhaft sind und die ich gar nicht so geil finde. Man hat immer Angst, die Wahrheit zu akzeptieren. Doch in dem Moment, in dem man sie endlich ausspricht, ist das wie eine Erlösung.“
Bleibt nur zu wünschen, dass Henning Wehland seine Erlösung gefunden hat, denn wie heißt es im Titelsong: „Der Letzte an der Bar schreibt beim Leben an“.
Quelle: ADD ON MUSIC / UNIVERSAL / POLYDOR /ISLAND Records
(c) RCR Christian Behring, 28.01.2017