Maracanã hat alles in den Schatten gestellt
Katrin Müller-Hohenstein im Interview. Im Januar feiert sie Jubiläum – am 28. Januar 2006 stand sie für „Das aktuelle Sportstudio“ zum ersten Mal vor der Kamera.

Katrin Müller-Hohenstein feiert demnächst Jubiläum. Im Januar werden es 10 Jahre beim ZDF, am 28. Januar 2006 stand sie für „Das aktuelle Sportstudio“ zum ersten Mal vor der Kamera.
Geboren wurde sie 1965 in Erlangen. Nach dem Abitur studierte sie Theaterwissenschaften. Darauf folgte ein Praktikum bei Radio Starlet in Nürnberg. Im Anschluss arbeitete sie bei Radio Gong zunächst als Volontärin, später als Redakteurin und Moderatorin. Ab 1992 war sie für den Münchner Radiosender Antenne Bayern auf Sendung. 2007 folgte der Wechsel zu Bayern 1. Im Januar 2006 wurde sie im aktuellen Sportstudio die Nachfolgerin von Rudi Cerne. Nach und nach kamen weitere Aufgaben dazu. Sie berichtete von den Fußball-Welt- und Europameisterschaften, von den olympischen Winter- und Sommerspielen, analysiert gemeinsam mit Oliver Kahn die Fußball-Länderspiele und moderiert (demnächst auch wieder) die Gala zur Wahl der „Sportler des Jahres“. Vergangene Woche kam sie zum ZDF-Pressetag für ein paar Stunden nach Berlin. Trotz ihres vollen Terminkalenders nahm sie sich Zeit, uns ein paar Fragen zu beantworten.
Sie sind seit 2006 als Moderatorin beim ZDF. Hätten Sie von Anfang an gedacht, dass Sie einmal auf 10 Jahre zurückblicken können?
Das ist eine wirklich gute Frage – auf die ich aber leider kaum eine Antwort habe. Aus dem einfachen Grund, dass ich mir die Frage, was wohl in zehn Jahren ist, damals so nicht gestellt habe. Ich habe in meinem Leben noch nie viel geplant, schaue eigentlich immer von Tag zu Tag, von Woche zu Woche. Insgesamt bin ich aber eine wirklich treue Seele, nicht nur im privaten Bereich. Und wenn ich heute zurückschaue, kann ich gar nicht fassen, dass das nun schon zehn Jahre sind. Die Zeit ist geflogen.
Was hat sich seitdem verändert, was ist geblieben?
Alles – und nichts. An der Sache selbst hat sich nichts geändert, Fußball ist Fußball, Tennis ist Tennis und Rodeln ist Rodeln. Aber der Aufwand, mit dem wir diese Sportarten begleiten, hat schon eine andere Qualität. Das liegt zum einen daran, dass wir – rein technisch – immer mehr können, zum anderen aber auch an dem gewachsenen Anspruch der Fernsehzuschauer. Wenn Sie sich heute Fußballübertragungen aus den 70er Jahren anschauen, als der Kommentar noch via Telefon kam, merken Sie den Unterschied. Durch Social Media hat man heute außerdem eine zusätzliche Facette, die in der Arbeit eine große Rolle spielt.
Sie waren bei vielen sportlichen Großereignissen wie Olympiade oder Fußball-WM dabei. Welches Ereignis ist ihr persönliches Highlight?
Ich bin generell ein großer Fan von Olympia. Das war schon immer so. Ich habe als Kind tagelang vor dem Fernseher gesessen, wenn die Übertragungen liefen. Beim ZDF habe ich die Olympischen Spiele in Peking, Vancouver, London und Sotschi live miterlebt. Das waren absolute Highlights – es gibt nichts Größeres als Olympia. Das dachte ich – bis zum letzten Sommer: Doch dieser Tag im Juli 2014, als Deutschland als erstes europäisches Land in Südamerika, im Maracanã, dem größten Stadion der Welt, und noch dazu gegen Argentinien den Weltmeistertitel geholt hat – das hat alles in den Schatten gestellt. Ich habe mir damals ganz bewusst einen Moment konserviert: Das Spiel war aus, ich saß auf einer Treppe zum Produktionstrailer, ganz alleine, Deutschland war Weltmeister, links neben mir das Maracanã, vor mir auf dem Hügel die erleuchtete Jesus-Statue. Ich kann heute sagen, dass das für mich nur schwer getoppt werden kann. Ich bin so dankbar, dass ich das hautnah erleben durfte.
Die Wahl zum „Sportler des Jahres“ steht an. Haben Sie einen persönlichen Favoriten? Oder gibt es Jemanden, dem Sie die Auszeichnung besonders gönnen würden und wenn ja warum?
Ich möchte vorwegschicken: Ich stimme nicht mit ab! Ich bin im Prinzip auch neutral, gönne es jedem, der es wird. Sie werden unter den Top 10 der einzelnen Kategorien nicht einen/eine Sportler/in, Mannschaft finden, der/die es nicht verdient hat/haben. Aber klar habe ich einen persönlichen Favoriten. Er hat mich in diesem Jahr wieder eine ganze Nacht wach gehalten – beim Ironman auf Hawaii. Jan Frodeno! Ich knie nieder vor dieser fast übermenschlichen Leistung – schätze aber auch den Menschen Jan Frodeno sehr! Was für ein guter Typ!
Im nächsten Jahr gibt es die Olympiade in Rio. Wie bereiten Sie sich auf so ein Großereignis vor?
Gar nicht;-) Mein Leben ist eine einzige Vorbereitung. Ich bin immer auf dem Laufenden, was sportliche Events betrifft. Ich lese sehr viel, schaue mir viel an. Sport begeistert mich immer. Das ist auch unerlässlich. Wenn man drei Wochen vor Olympia anfängt, sich für die Sache zu interessieren… das kann man sich in der Zeit gar nicht mehr alles draufpacken!
Ein Thema, das uns in den letzten Wochen beschäftigt, ist das systematische Doping in Russland. Wird Russland bei der Olympiade dabei sein?
Das ist eine gute Frage, auf die ich mir zum heutigen Zeitpunkt keine seriöse Antwort zutraue.
Das andere Thema ist die Fifa und die möglicherweise gekaufte WM 2006. Was denken Sie, wie lange uns das Thema noch beschäftigt und was wird einmal in den Geschichtsbüchern stehen: die gekaufte WM oder doch das „Sommermärchen“?
Ich finde, wir sollten hier deutlicher trennen zwischen „gekaufter WM“ und Sommermärchen. Die Art und Weise, wie Deutschland den Zuschlag bekommen hat, wird uns sicher noch eine Weile beschäftigen. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass die Angelegenheit irgendwann aufgeklärt ist. Das Sommermärchen wird immer das Sommermärchen bleiben. Dazu haben wir alle es nämlich gemacht. Die Fans, die so freundlich und begeisterungsfähig waren, unser Land, das so ein großartiger Gastgeber war, und nicht zuletzt das Wetter, das uns einen perfekten Sommer serviert hat. Wer hätte gedacht, dass uns die Welt, die immer nur den korrekten, aber auch leicht spießigen, humorlosen und langweiligen Deutschen kannte, dass diese Welt uns irgendwann mal cool finden würde.
Wir erleben gerade eine Welle von Terror und Gewalt. Wie wird sich der Sport dadurch verändern? Wird es überhaupt noch „unbeschwerte“ Spiele geben können?
Der Sport hat sich ja gerade erst dramatisch geändert. Die Länderspielabsage von Hannover war vielleicht nur ein erster Vorbote auf das, was uns in Zukunft noch blühen wird. Aber ich glaube, man kann hier Sport und das öffentliche Leben generell nicht trennen. Ob es nun ein Fußballspiel, ein Konzert oder ein Jahrmarkt ist: wir werden uns in Zukunft an erhöhte Sicherheitsmaßnahmen gewöhnen müssen, wir werden damit leben müssen, dass es Sicherheit zu 100 Prozent nicht geben kann. Und jeder muss für sich selber entscheiden, ob und wie er damit umgehen kann.
Wie wirkt sich dieser Terror auf Ihre Arbeit aus? Gibt es schon Einschränkungen?
Bis auf die Länderspielabsage habe ich bislang noch keine Einschränkungen erfahren. Es wird an den Stadien strenger kontrolliert, aber das ist ja in unsere aller Interesse.
Wenn Sie nicht im Fernsehen zu sehen sind, wie sieht Ihre Arbeit abseits der Kamera aus?
Ganz oft werde ich am Samstagnachmittag in München gefragt, ob ich abends in Mainz Sendung habe. Köstlich! Vor jeder Sendung stehen oft tagelange Vorbereitungen. Interessanterweise wird das von den Zuschauern gar nicht wahrgenommen. Die denken, der Moderator stellt sich da hin und los geht´s. Wobei das ja schon fast wieder ein Kompliment ist, denn offenbar versprüht das, was wir tun, eine gewisse Leichtigkeit. Aber nachdem beim Fernsehen viele Rädchen ineinandergreifen, gibt es viele Konferenzen, an denen alle Beteiligten teilnehmen. Jeder muss wissen, was der andere plant. Hier kann ich auch spezielle Wünsche äußern. Dann beginnt meine eigentliche Arbeit, Recherche, Themen überlegen, Fragen formulieren. Ich sitze also viel am Schreibtisch, die Sendung selber ist dann nur noch die Kür!
Danke!
© RCR Christian Behring, 30.11.2015
Quelle Fotos: ZDF/ Katrin Müller-Hohenstein/ Kerstin Bänsch