„Gold – Du kannst mehr als du denkst“: Interview mit Kirsten Bruhn

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Nachdem wir euch gestern ein Interview mit „Gold – Du kannst mehr als du denkst“-Regisseur Michael Hammon präsentiert haben, reichen wir euch heute das Interview mit Hauptdarstellerin Kirsten Bruhn, einer begnadeten deutschen Schwimmerin.

Nachdem wir euch gestern ein Interview mit „Gold – Du kannst mehr als du denkst“-Regisseur Michael Hammon präsentiert haben, reichen wir euch heute das Interview mit Hauptdarstellerin Kirsten Bruhn, einer begnadeten deutschen Schwimmerin, als Abendlektüre und Vorbereitung auf ein unvergessliches Kinoerlebnis nach. Weitere Informationen zum Film findet ihr auf der offiziellen Website zum Film: www.du-bist-gold.de/

Wie geht es dir denn nach dem ganzen Paralympic-Stress. Ist dein Ausstieg aus der Nationalmannschaft zum Ende des Jahres hin immer noch geplant?

Es ist schon so, dass man wenig Zeit hat das zu verarbeiten. Von einem Event zum nächsten und man hat ja noch einen Alltag und das Training dazu. Ich bin aufgewühlt und müde, aber sonst geht es mir gut. Ich möchte mich auf jeden Fall noch für die Weltmeisterschaften im August qualifizieren und nächstes Jahr stehen Europameisterschaften an, auch da möchte ich gerne starten. Mit Abschluss der Europameisterschaften werde ich dann aber mein Karriereende verkünden.

Möchtest du weiterhin im Team bleiben oder hast du ganz andere Pläne?

Ich möchte weiterhin mit dem Team in Kontakt bleiben, da sich die Bundestrainerin vorstellen kann, dass ich weiterhin in betreuender Funktion agiere, meine Erfahrung an den Nachwuchs vermittle und sie dadurch auch pushe und motiviere. Vielleicht sogar ein wenig das Training leite. Aber gänzlich meinen Unterhalt damit verdienen möchte ich nicht.

Deine Geschichte war aus emotionaler Sicht am schwersten. Eine lebensfrohe, junge Frau, die im Urlaub ein wenig Erholung sucht und sich bei dem einzigen geplanten Ausflug verletzt. Hast du dir da oft die Frage gestellt: „Wieso ich?“

Sicherlich fragst du dich „Wieso ich und nicht jemand anderes und was habe ich getan, damit ich diese Strafe erleiden muss?“ Aber das lässt nach. Du lernst insofern mit der Situation umzugehen, als dass du dich damit arrangierst. Sicherlich kamen auch Phasen, in denen ich keinen Bock mehr hatte und mir das Leben nehmen wollte, als es für mich keinen Sinn und keine Schönheit mehr hatte. Aber es gibt Dinge – bei mir waren es Nichten und Neffen – die Stück für Stück geboren wurden und wo ich dachte: Die schauen dich so lieb und vorurteilsfrei an und akzeptieren mich so wie ich bin. Dann kam das Schwimmen dazu, was wieder ein Stück Normalität zurückbrachte, einfach den Anschluss an das vorherige Leben, das Gefühl lebendig zu sein.

Man sieht im Film oft deinen persönlichen Kontakt mit Freunden & Familie. Hast du denn auch tiefergehenden Kontakt zu anderen Schwimmerinnen?

Ich bin, muss ich sagen, nie der Typ gewesen der viele Freunde hat. Ich mag es nicht so wuselig und viele Menschen um mich herum zu haben. Vielleicht ist dies auch ein Grund, weshalb ich Schwimmerin geworden bin. Du bist viel für dich selbst, kannst deinen Gedanken freien Lauf lassen, das mag ich schon sehr. Nichtsdestotrotz ist es gut, wenn man Familie und in meinem Fall meine Eltern, meinen Freund und meine Freunde um sich hat, die mir in letzter Instanz auch einen gewissen Kick und Motivation geben. Du kannst sehr, sehr viel Initiative ergreifen, du kannst selber deine Ziele setzen, aber du brauchst desöfteren Menschen, die dich diese letzte Schwelle überschreiten lassen. Ohne alte Schulkameraden damals hätte ich niemals die Idee gehabt, überhaupt wieder bei Wettkämpfen zu starten. Mein Vater ist ja nun auch mein Trainer am Beckenrand und meine Mutter gewissermaßen meine Psychiaterin. Sie merkt halt, wenn etwas nicht in Ordnung ist und hilft, den Knoten zu lösen. Meine Geschwister und Neffen sind auch alles Schwimmer und Schwimmerinnen bzw. in der Schwimmhalle zuhause und das ist halt ein großes, schönes Miteinander.

Wie lief denn das Zusammenspiel mit deinen Filmpartnern?

Meine Filmpartner beschämen mich ja immer. Der Kurt nimmt das Leben so leicht und selbstverständlich, dass ich mir immer wieder sage „Reiß dich mal zusammen! Du kannst dir ruhig ein wenig Lockerheit von ihm abschauen.“ Und Henry, dessen Leben mit 21 von sehend auf blind umgeworfen wurde und der damit zurechtkommen muss, das ist schon ein einschneidendes Erlebnis. Da möchte ich weder mit ihm teilen noch mit ihm tauschen. Dann kommt noch das Umfeld hinzu, indem er lebt. Es war ja damals so, dass man ihm unterstellte, er wäre drogenabhängig gewesen und es wäre jetzt die Strafe Gottes, dass er erblindet ist. Und ich denke jedes Mal: „So couragiert, so tough, so mutig wie er war … ich weiß nicht ob ich das gewesen wäre.

Hast du denn das Gefühl, dass die Inklusion hierzulande schon sehr vorangeschritten ist oder hattest du selber damals Probleme?

Ich bin eigentlich mehr enttäuscht von unserer inklusiven Gesellschaft als begeistert. Gerade weil ich durch das viele Reisen genügend Vergleiche zu anderen Nationalitäten habe und wir uns hier immer als Sozialstaat definieren. Aber das sind wir so gar nicht. Wir sind sehr stur und so organisiert, was gerne von anderen bewundert wird, was uns aber sehr oft hemmt und blockiert. Wir haben ein unheimlich großes Schubladendenken und das macht uns und allen anderen das Leben wirklich schwer. Wenn ich in Skandinavien oder Amerika bin, sind die Menschen so herzlich und offen und nehmen dich wie du bist. Sicherlich kannst du nicht jeden lieben, aber von vornherein zu sagen „Oh, jemand im Rollstuhl“ und drehst dich weg – das hast du da nicht so. Ebenso dieses behördliche – mein Behindertenausweis ist befristet bis 2014. Ich glaube nicht, dass bis dahin auf einmal ein medizinisches Wunder passiert. Da frage ich mich „Was soll das?“

Denkst du es würde helfen, wenn man schon in der Schule mehr dafür sensibilisiert werden würde?

Ich vergleiche dass gerne mit Menschen anderer Nationalitäten oder Hautfarben. Ich war als Au-Pair ein Jahr in New Jersey, New York und mir wurde mit 20/21 Jahren bewusst, wie viele andersfarbige Menschen es in New York gibt und ich dachte mir: „Häh, wie jetzt?“ Je länger ich da war, desto normaler wurde es. Und wenn ich jetzt realisiere und ständig erlebe, dass es auch Menschen mit Handicap gibt, dann nimmt man mir da auch die Hemmung und Unsicherheit. Und das wünsche ich mir. Dass man integrative Schulungen macht aber auch in den Schulplan mit aufnimmt, dass Schüler pro Jahr mindestens 2-3 Tage in solch eine Institution gehen und sich mit diesen Kindern und Erwachsenen beschäftigen und dabei voneinander lernen.

© RCR Enrico Seligmann

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