MediaGuardian Edinburgh International Television Festival 2012: Tag 2 und 3

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Wie bereits im ersten Artikel berichtet, fand vom 23. bis 25. August 2012 das MediaGuardian Edinburgh International Television Festival im Edinburgh International Conference Center statt.

MGEITF Edinburgh

Rob McDougall for Rob McDougall for MGEITF

Wie bereits im ersten Artikel berichtet, fand vom 23. bis 25. August 2012 das MediaGuardian Edinburgh International Television Festival im Edinburgh International Conference Center statt. Den sehr interessanten Vorabend im National Museum of Scotland hatte ich mit dem Londoner Film- und Fernsehmusikkomponisten Michael Price verbracht, der mir spannende Einblicke in seine Arbeit eröffnete, über die Eigenarten von Komponist Howard Shore plauderte und mich in der Umsetzung meiner eigenen Ideen bestärke. Nach diesem ersten Abend sollte der zweite Tag  des Festivals für uns ganz im Zeichen der BBC-Serie „Sherlock“ stehen.

Doch nach einer kleinen Stärkung mit erfrischenden Smoothies in der YouTube-Lounge, ging es zunächst zur Masterclass der BAFTA-prämierten Channel 4-Dokumentarserie „Educating Essex“. Im Panel anwesend waren die Produzenten David Clews von TwoFour Broadcast und Mark Raphael von Channel 4, sowie die beiden Schulleiter der Passmore Academy, Stephen Drew und Vic Goddard. „Educating Essex“ zeigt den ungeschönten Schulalltag der Passmore Academy, und folgt dabei besonders dem Abschlussjahrgang der Schule. Es gibt keine Schauspieler und kein Drehbuch – alles wird so gezeigt, wie es im Schulalltag geschieht. Unterrichtsstunden und Pausenaufnahmen werden gemischt mit Interviewszenen und Voice-Overs der Schulleiter und des Lehrerkollegiums. Dadurch enthält jede Folge sowohl rührende und lustige, als auch schockierende Momente.
Die Schulleiter berichteten in der Masterclass, wie sie zu Beginn darauf reagierten, als die Produzenten mit 65 Kameras in ihre Schule einrücken wollten und wie die Schüler und Eltern gelernt haben, mit dieser neuen Situation umzugehen. Die Produzenten gaben Einblicke in den Produktionsprozess, die Schwierigkeiten und den Aufwand, eine solche Serie von der Idee bis hin zur Ausstrahlung zu tragen. Dabei gab es auch immer wieder kleine Anekdoten, die das Publikum im gut gefüllten Saal zum Lachen brachten.

 

Credit: Rob McDougall for MGEITF

Im Anschluss ging es direkt weiter mit einem Gespräch zwischen Steve Levitan, Produzent der ABC-Serie „Modern Family“ und Richard Curtis, bekannt als Produzent und Drehbuchautor von Serien wie „Blackadder“ oder Filmen wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“.
Das Gespräch drehte sich hauptsächlich um die mit mehreren Golden Globes und Emmys ausgezeichneten Comedy-Serie „Modern Family“, den kreativen Prozess hinter dieser Serie, die eine der erfolgreichsten Sitcoms in den USA ist und woher Steve Levitan seine zahlreichen Ideen nimmt. Er gab zu, viele lustige Einfälle für das Drehbuch kämen aus seinem Alltag. Außerdem, so berichtete er, frage er oft auf Fans der Serie bei Veranstaltungen nach skurrilen Situationen aus deren eigenen Familien. Parallelen ließen sich ziehen zum Vortag, als Robert Popper nach der Vorführung einer Folge der Sitcom „Friday Night Dinner“ einen sehr ähnlichen Ideenfindungsprozess beschrieben hatte.

 

Credit: Rob McDougall for MGEITF

Die Pause vor der „Sherlock“-Masterclass nutzte ich dazu, mich mit zahlreichen Teilnehmern des Festivals zu unterhalten. Dabei wurde klar, dass fast jeder, den ich traf, im „Sherlock“-Fieber zu sein schien. Autor und Co-Produzent Steven Moffat hatte schließlich auch schon am Tag zuvor auf Twitter verraten, dass im Panel drei Wörter als Hinweise auf die drei neuen Folgen der dritten Staffel preisgegeben werden sollten. Dementsprechend aufgeregt war nicht nur die Twitter-Gemeinde, sondern auch ein Großteil der Festival-Besucher.

Vor der „Sherlock“-Masterclass traf ich mich wieder mit Komponist Michael Price, der zusammen mit David Arnold den Soundtrack zu dieser Serie schreibt und produziert, sowie mit zwei der Autoren der „Sherlock“-Fansite http://www.sherlockology.com/. Wir setzen uns in die erste Reihe und warteten gespannt, meine Sitznachbarn mit gezückten iPhones, um jedwede Neuigkeiten sofort auf Twitter zu veröffentlichen.

 

Credit: Rob McDougall for MGEITF

Begrüßt von Boyd Hilton betraten die Produzentin Sue Vertue, die beiden Autoren und Co-Produzenten Steven Moffat und Mark Gatiss, sowie Moriarty-Darsteller Andrew Scott die Bühne. Die beiden Hauptdarsteller Martin Freeman und Benedict Cumberbatch waren zwar im Vorfeld als Teilnehmer angekündigt worden, hatten jedoch schon Tage und Wochen vor dem Festival wieder abgesagt.
In der Unterhaltung selbst wurde nicht viel Neues berichtet. Der Ideenfindungsprozess und das Übersetzen der Vorlage von Sir Arthur Conan Doyle in eine Version, die dem 21. Jahrhundert entspricht, wurden noch einmal rekapituliert, einige Ausschnitte und Trailer aus den vorigen zwei Staffeln gezeigt und, da Andrew Scott anwesend war, besonders über die modernisierte Rolle der Sherlock Holmes-Nemesis Moriarty gesprochen.
Das Publikum schien jedoch sehr begeistert. Es wurde viel gelacht, bei Ausschnitten gejubelt und geklatscht.
Schließlich, kurz vor Ende des Panels, wurden dann die lang ersehnten drei Wörter RAT, WEDDING und BOW von den Produzenten bekannt gegeben. Gleichzeitig explodierte Twitter und die Fangemeinde fing zu grübeln an.
Nur wenige Serien der letzten Jahre haben es so wie „Sherlock“ geschafft, die Fangemeinde aktiv an den Ereignissen, die sich auf die Serie beziehen, teilhaben zu lassen, sie mitunter auch leiden zu lassen, nur, um sie später wieder mit großartigen neuen Folgen zu begeistern.
Diese Mischung aus klassischem Fernsehen und einem engen Bezug zu den neuen Medien macht den unglaublichen Erfolg dieser BAFTA-prämierten BBC-Serie aus.

 

 

Credit: Rob McDougall for MGEITF

Direkt nach dem letzten Panel des Tages folge nun ein weiteres Highlight, denn die „Channel of the Year Awards“ wurden verliehen. Dabei hatten im Vorfeld alle Teilnehmer des Festivals die Möglichkeit, für ihre Lieblingsprogramme zu stimmen. In dieser Zeremonie wurden nun alle Gewinner gekürt.
BBC Two gewann die Terrestrial Channel of the Year Auszeichnung während BBC Four den Digital Channel of the Year Award verliehen bekam.
BBC One-Serie „Sherlock“ gewann, zum zweiten mal in Folge, den Terrestrial Programme of the Year Award sowie den The Network and Ones To Watch Programme Choice Award.
Digital Programme of the Year wurde „Mad Men“ und die Produktionsgesellschaft Talkback gewann den Indie of the Year Award.
Der BBC iPlayer wurde mit dem Cross Platform Innovation Award of the Year ausgezeichnet und Grace Reynolds bekam den Producer or Director Debut Award für „Educating Essex“ verliehen.

Am Abend galt es wieder, sich ins Networking zu stürzen, diesmal im pompösen The George Hotel. Da für mich allerdings früh am nächsten Morgen noch eine wichtige Veranstaltung anstand, wollte ich ausgeschlafen sein und verließ die Friday Night Party nach ein paar netten Unterhaltungen schon relativ früh.

Am nächsten Morgen war ich pünktlich um halb 10 vor Ort, um das letzte Highlight des Festivals zu erleben. Im Filmhouse wurde die erste Episode der 7. Staffel der BBC-Kultserie „Doctor Who“ vorgeführt. Zahlreiche Fans hatten sich schon im Voraus Karten für diese Vorführung gesichert, sodass es für einige Festivalteilnehmer schwer geworden war, noch an Karten zu kommen. Ich hatte es zum Glück geschafft und konnte den Beginn gar nicht erwarten, da „Doctor Who“ eine meiner absoluten Lieblingsfernsehserien ist.
„Asylum Of The Daleks“ heißt die neue Folge, die am 1. September 2012 Premiere auf BBC One feiern wird. Wir hatten hier also die Chance, vor fast allen anderen diese Episode zu sehen und dementsprechend gespannt war dann auch die Stimmung, als sich der rote Vorhang öffnete und das Spektakel seinen Lauf nahm.
Über die Folge selbst darf nichts gesagt werden, denn Steven Moffat, neben „Sherlock“ momentan auch hauptverantwortlich für „Doctor Who“, hat es nach dem Screening ausdrücklich verboten.
Nach der Folge durften die begeisterten Fans ihre Fragen an Steven Moffat stellen, was auch zahlreich in Anspruch genommen wurde.
Auf die Frage, ob Der Doktor jemals eine Frau sein wird, fragte Moffat das Publikum, wer denn dann noch „Doctor Who“ schauen würde, und es meldeten sich überraschend wenig Zuschauer. Jedoch meinte er im Anschluss, je mehr über so etwas gesprochen würde, umso wahrscheinlicher wäre es, dass es irgendwann doch passiert.
Ein kleines Mädchen fragte außerdem, ob die Cybermen im Regen rosten würden, was ihr einen großen Applaus einbrachte. Steven Moffat verstrickte sich beim Beantworten dieser Frage in seinen eigenen Aussagen, erst überzeugt, sie würden nicht rosten, sich dann aber doch an eine Folge erinnernd, als genau das geschehen war. Einiges Gelächter folgte aus dem Publikum.
Fragen zum Schreibprozess und zur Produktion dieser Lieblingsserie der Briten wurden ebenfalls gestellt. Auf die Frage, wie sehr sich Moffat auf einer Skala von 1 bis 10 auf das 50ste Jubiläum von „Doctor Who“ im nächsten Jahr freuen würde,  antwortete er: „50!“ Man kann also sehr gespannt sein, was sich die Macher für dieses besondere Datum einfallen lassen werden. Eine Dokumentation von „Sherlock“ Co-Produzent Mark Gatiss über die Geschichte von „Doctor Who“ ist schon bestätigt worden.

Mit diesem persönlichen Highlight endete für mich das Festival und am nächsten Tag machte ich mich sehr früh auf den Weg zurück nach Deutschland. Das Festival hat mich sehr stark beeindruckt, inspiriert und begeistert und ist für jeden, der sich in der Fernsehbranche bewegt oder von ihr so sehr begeistert ist wie ich, eine absolut lohnenswerte Veranstaltung.

Bis nächstes Jahr, Edinburgh!

© RCR Ricarda Schernus

 

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