AMERICAN-BLUES-ROCK – Joe Bonamassa & Band im Admiralspalast
Wer gestern Abend am Admiralspalast entlangging und eine Menge älterer Menschen dort stehen sah, dachte sich eventuell, dass hier „wieder irgendein kunstvolles Theaterstück“ aufgeführt wird. Und wer wenig später laute dumpfe Klänge durch die geschlossenen Türen hindurch hörte, runzelte die Stirn: „Ganz schön lauter Schlager, oder?“.
Dabei ging es hier weder um Schlager, Theater oder andere Klischees. Die älteren Leute trugen von Lederjacke und Bart bis hin zu Mantel und Brille alles, die dumpfen Klänge kamen von Iron Maidens Klassiker „Two Minutes to Midnight“, der als Soundcheck diente und auf der Bühne stand kein vom Playback getragener Almdudler, sondern Joe Bonamasse. Ein Mann, der direkt mit seinem ersten Song die Aufwärmrunde durch Iron Maiden wie einen leichten Popsong wirken ließ und 2 ½ Stunden lang bestätigte, dass diese Aktion für ihn eine der leichtesten Übungen ist. Kein Wunder, dass er von Magazinen und Fans auf aller Welt schon vor langer Zeit auf den Bluesrock-Thron gehoben wurde.
Joe Bonamassa hält sich zurück und scherzt lieber, dass er bisher keinen Charterfolg hatte und es mit dem neuen Album wohl genauso bleiben wird. Am Nachmittag drehte er eine Runde durch die Innenstadt und blieb vor einem Autohaus stehen. Dort faszinierte ihn der Anblick eines neuen Bugatti so sehr, dass er sich ihn von Nahem ansehen wollte. Ein Blick auf das Preisschild verriet, dass er mehr als nur einen Charterfolg brauchen würde, um sich diesen Wagen leisten zu können. Netterweise kam ein Verkäufer vorbei und führte ihn zu einem Auto, „dass wohl mehr seiner Klasse entsprechen würde“ – es war ein VW Golf GTI. Brauchen tut er beide nicht, denn der 35-jährige Amerikaner ist schon eine Mischung aus beiden. Auf der einen Seite ein laut röhrender Bugatti mit Mords-Organ, auf der anderen Seite ein spritsparender Golf. Denn am Ende wird er mit frisiertem Haar und maßgeschneidertem Anzug dastehen, als hätte er den entspanntesten Tag seines Lebens hinter sich gehabt und nicht 150 Minuten voller Energie. Für ihn scheinen bejubelte Songs wie „Slow Gin“ und „Dust Bowl“ nur eine müde Fingerübung zu sein, die er zwischen Ausflügen in mexikanische Mariachi-Gefilde und minutenlange Gitarren-Soli einwebt.
Am Ende fühlt sich jeder so, als ob er gerade eine wilde Bugatti-Testfahrt hinter sich hatte. Die Hände zittern, Glücksgefühle durchströmen den Körper und Respekt bringt einen dazu, das Auto nicht zu kaufen sondern nur heil abzustellen. Joe Bonamassa ringt einem genau den selben Respekt ab. Eine Testfahrt mit ihm gut und gerne, aber selber machen? Niemals. Nicht mit dieser Eleganz. Nicht mit dieser Leidenschaft. Nicht mit diesem Können. Deswegen zeigen lauter glückliche Gesichter nach dem Konzert, dass jeder froh gewesen ist, hier gewesen zu sein. Bis zum nächsten Mal, wenn der Bugatti wieder ein Stück näher gerückt ist.
(c) RCR Enrico Seligmann
(c) RCR Christian Behring